"Ich möchte ein neues Handy."
Der Verkäufer, einer jener Menschen, die sozusagen das Wort
"Metrosexuell" auf der Stirn tätowiert hatten (auch wenn er es
wahrscheinlich nicht hätte buchstabieren können), legte sein "ich bin
für Dich da, Hasi"-Lächeln auf. "Was darf es denn sein?" fragte er in
jenem Ton, mit dem er abends auch seine Freunden fragte, welche
Position denn die gewünschte sei.
Die Kundin klang ähnlich nörgelig wie seine Freundin als sie
antwortete:
"Egal - nur nicht wieder so ein Ding." Damit warf sie das neue "Most
superb hottest Modell" auf den Tisch. "Ich möchte etwas Einfaches."
"Hmmm..." Er beäugte das Handy und die Kundin gleichermaßen. "Dieses
hier ist eigentlich für seine Benutzerfreundlichkeit bekannt."
"Ja." Die junge Frau seufzte. "Genau das ist das Problem."
Und dann erzählte sie ihm, weshalb sie dieses Handy nicht mehr haben
wollte.
Ein warmer Frühlingstag
"Wollen Sie telefonieren, den neuesten Frühlingssong herunterladen
oder den Weg zur nächsten Eisdiele wissen?"
"Huch!" Veronica schaltete schnell die Lautstärke herunter. Um
Himmels Willen, sie hatte sich einfach noch nicht an das neue Handy
gewöhnt, das automatisch ihren derzeitigen Aufenthaltsort mit ihren
Vorlieben sowie der Wettersituation verglich.
"Lass Dir ruhig Zeit." flötete das Handy und im Hintergrund lief
"Veronica, der lenz ist da." Sie hasste dieses Lied.
"Ich möchte telefonieren." meinte sie kurz.
"Okay..."
Sie tippte eine Nummer ein.
"Willst Du wirklich da anrufen? Also, wenn ich die momentanen
Aufenthaltsdaten richtig interpretiere, ist Thommy gerade im
Schlafzimmer und Susi auch. Also-"
"Schon gut." Sie seufzte und drückte gedankenverloren einen Knopf.
"Aaaah, Du willst photographieren? Bei dem Wetter eine tolle Idee.
Die Licht- und Sichtverhältnisse sind ideal."
Veronica verdrehte die Augen. Nun gut, vielleicht, sie war eine
leidenschaftliche Photographin, wäre es wirklich keine schlechte
Idee. Sie hielt das Handy nach vorne und peilte eine zufrieden vor
einem Straßenmusikanten stehende Menschenmenge an. Klick...
"Moment, Veronica. Unter Berücksichtigung des momentanen Winkels wäre
da zu wenig zu sehen. Der Straßenmusikant würde untergehen im
Gewimmel sozusagen."
Sie veränderte den Winkel. Klick...
"Hm, hast Du den Straßenmusikanten auch gefragt? Ich meine, er hat
immerhin das Recht am eigenen Bild und somit wäre sein Einverständnis
notwendig."
"Ich will ihn ja photographieren und ihn dann fragen, was er von dem
Bild hält." murrte Veronica entnervt.
"Aehem, das geht aber so nicht, denn wer sagt mir, dass Du das Bild
nicht gleich, noch bevor Du mit ihm gesprochen hast"
"Dann ist es aber nicht mehr spontan."
"Hm..." Das Handy versank in Schweigen. "Na gut, mach das Photo,
danach werde ich es löschen falls der Straßenmusikant kein
Einverständnis gibt."
Aber jetzt begann die Menschenmenge sich zu verstreuen, das Photo war
also unmöglich geworden. Hm, Veronica peilte ein Straßencafé an,
dessen Kelllner gerade besonders elegant servierte. Die gleiche
Diskussion, denn scheinbar hatte das Handy die Lösung nicht
gespeichert. Schließlich aber bekam Veronica die Erlaubnis, den
Kellner zu photographieren.
"hm...." meinte das Handy skeptisch. "Dieses Photo erinnert aber doch
fatal an eines, das urheberrechtlich geschützt ist... Moment, ich
suche mal eine Datenbank ab."
Veronica starrte auf das Handy, einige Leute starrten währenddessen
auf sie. Da das Handy mit einer automatischen "Vorsicht, Sie werden
photographiert und sollten dies wissen"-Funktion ausgestattet war,
hatte es mittlerweile natürlich die Handies des Kellners ausfindig
gemacht und kontaktierte diese, außerdem gab es Signaltöne von sich.
Einer der Gäste dachte scheinbar an die Polizei und sprang auf,
woraufhin der Kellner sein Handy fallenließ und, wohl im Gedanken an
Zechprellerei, den Gast festhielt, der sich später als Journalist
entpuppte.
Veronicas Handy teilte mit, das leider langsam der Akku leer war,
aber gerade ihr Freund versuchen würde, sie anzurufen... beachtete
man die Tippfrequenz der SMS, so könnte man davon ausgehen, dass es
ihm schlecht ginge.
Veronica versuchte noch schnell ihn zu kontaktieren, doch das Handy
fragte nur: "Aehem, ich sehe Thomas, Susi und Harald sind gerade
zusammen im Schlafzimmer - möchtest Du wirklich anrufen?"
Sie starrte den Verkäufer an. "Ich will einfach nur noch ein Handy,
mit dem ich telefonieren kann." meinte sie schwach.
"Aehem..." Er drehte sich zur Wand, wo alle Exemplare trendy
angebracht waren. Dann seufzte er.
"Nur 110 und 112 würde mir schon reichen..." sagte Veronica, den
Tränen nahe.
"Ein Notfallpieper vielleicht?" meinte er zynisch und zu seiner
Überraschung nickte sie.